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Chantal & Mohamad berichten: Ihr Praktikum im Nuru Kindergarten

Wir, Chantal und Mohamad, haben unser Praktikum im privaten, christlichen Nuru Kindergarten in Moshi absolviert. Dort werden etwa 65 Kinder im Alter von 2,5 bis 6 Jahren von zwei Erzieherinnen, die von den Kindern „teacher“ genannt werden, und einer Schwester im Sinne der Montessori Pädagogik betreut und unterrichtet, wobei wir sie unterstützt haben. Besonders beeindruckend war die herzliche Aufnahme, die uns von Anfang an entgegengebracht wurde.

Tagesablauf in der Einrichtung:

Der Tagesablauf ist klar strukturiert: Von 7:00 bis 10:00 Uhr findet eine gemeinsame Unterrichtsphase statt. Die Kinder werden in dieser Zeit in Fächern wie Religion, Englisch und Geografie unterrichtet, wobei gesungen, bewegt und Gesagtes im Chor wiederholt wird. Zwischendurch gibt es eine kurze Toilettenpause. Die Toiletten befinden sich außerhalb des Gebäudes und wir haben mehrmals die Aufsicht übernommen. Um 10:00 bekommen die Kinder Porridge, wobei wir täglich beim Verteilen geholfen haben. Eine Küchenkraft kümmert sich um die Zubereitung der Speisen. Zwischen 10:00 und 11:30 Uhr teilt sich die Gruppe in zwei Altersklassen: Die älteren Kinder bearbeiten Aufgaben in ihren Heften, zum Beispiel Buchstaben und Zahlen, während die jüngeren Kinder auf Matten sitzen und frei wählen, mit welchen Montessori-Materialien sie sich beschäftigen möchten. So wird die Selbstständigkeit der Kinder gezielt gefördert. Die Materialien wurden von den Erzieherinnen in ihrer Ausbildung selbst hergestellt. Von 11:30 bis 17:00 Uhr essen die Kinder gemeinsam, machen eine Ruhephase von etwa einer Stunde und haben danach Zeit für freies Spielen drinnen oder draußen. Einige Kinder werden bereits mittags abgeholt, andere bleiben bis zum späten Nachmittag. Freitag ist Sporttag, an dem die Kinder in Trainingsanzügen in die Schule kommen und sich vormittags anstelle des Unterrichts draußen sportlich betätigen. Besonders auffällig ist die Integration von drei Kindern mit besonderen Bedürfnissen, die selbstverständlich in den Alltag einbezogen werden. Uns sagten sie, dass diese Kinder mehr Unterstützung bräuchten, ohne genaue Diagnosen zu nennen. Ein Kind mit auffallend hohem Bewegungsdrang (vermutlich ADHS) wird zeitweise nach draußen geschickt, um sich zu bewegen, bevor es wieder in die Gruppe zurückkehrt.

Vorstellung unserer Berufsgruppe:

Wir sind in der Ergotherapie Ausbildung. Unser Berufsziel ist es, Menschen in ihrer Handlungsfähigkeit zu fördern und ihre Selbstständigkeit zu stärken. Diese Perspektive haben wir in den Kindergartenalltag eingebracht: wir beobachteten, welche Kompetenzen die Kinder bereits haben, wo sie Unterstützung brauchten und wie wir durch Spiel, Bewegung und gezielte Aktivitäten ihre Entwicklung fördern könnten. Besonders spannend war es, wie stark das Montessori-Prinzip die Selbstständigkeit der Kinder in den Vordergrund stellt. Dieser zentrale Gedanke ist auch in der Ergotherapie wichtig. Aus ergotherapeutischer Sicht bietet der Neema Kindergarten vielfältige Beobachtungs- und Fördermöglichkeiten. Die Montessori-Materialien regen insbesondere Feinmotorik, Konzentration und Ausdauer an, während Bewegungsangebote im Außenbereich die Grobmotorik gezielt stärken. Die Heftarbeit der älteren Kinder unterstützt kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Problemlösefähigkeit und frühes schulisches Lernen. Auch die sozialen Kompetenzen werden im Alltag gefördert: gemeinsames Spielen, Singen und Tanzen schulen Kooperation, Rücksichtnahme und Konfliktlösung. Besonders wertvoll ist die freie Wahl der Materialien, die die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Kinder stärkt. Die Integration von Kindern mit Auffälligkeiten zeigt, wie Teilhabe im Alltag praktisch umgesetzt werden kann. Bewegungsphasen für sehr aktive Kinder entsprechen ergotherapeutischen Ansätzen zur Selbstregulation. Darüber hinaus üben die Kinder wichtige Alltagshandlungen wie Essen, Anziehen und gemeinsames Spielen. Trotz begrenzter Materialien fällt die ressourcenorientierte Förderung besonders auf: Die Kinder lernen mit Freude, und die Erzieherinnen setzen die individuellen Stärken gezielt ein, um Entwicklungsmöglichkeiten bestmöglich zu unterstützen.

Highlights:

Zu den Highlights unserer Praktikumszeit gehören die Offenheit und Freude der Kinder beim Lernen. Besonders motivierend war es, kleine Fortschritte einzelner Kinder zu beobachten, sei es beim Zählen, Sprechen oder im sozialen Miteinander. Insbesondere wenn wir uns einzelnen Kindern zugewendet haben, um sie bei einer Montessori Aktivität trotz Sprachbarriere zu unterstützen, konnten wir schnelle Lernerfolge beobachten. Es war beeindruckend, wie kreativ und fleißig die Kinder mit den Materialien umgehen, wie sich gegenseitig geholfen haben und wie neugierig sie gegenüber neuem Wissen waren. Außerdem haben wir den Kindern ein Buch vorgelesen, das aus vier verschiedenen Geschichten besteht. Dabei haben wir jeweils eine Seite mit einigen Sätzen auf Englisch vorgelesen, und anschließend hat eine Erzieherin den Text ins Swahili übersetzt. Wir saßen mit etwa 15 Kindern in einer kleinen Gruppe zusammen und wechselten täglich die Zusammensetzung, damit nach und nach alle Kinder die Geschichten hören konnten. Das Buch selbst hat einen besonderen Hintergrund: Es wurde vor zwei Jahren von Schüler der Herman-Nohl-Schule in Zusammenarbeit mit tansanischen Partnerschüler entworfen. Jede Geschichte ist auf einer Seite mit einem Bild illustriert und mit kurzen Texten versehen. Entstanden ist es damals im Rahmen eines Projekts von ENSA, das den Austausch zwischen Tansania und Deutschland fördert. Am letzten Tag unseres Praktikums haben wir ein Sportprogramm geplant und mit den Kindern durchgeführt, was allen viel Spaß gemacht hat, wir haben zusammen gelacht und es war eine gelungene Abwechslung zum typischen Unterrichtsalltag.

Herausforderungen:

Herausfordernd ist die große Gruppengröße, da sich drei Personen in zwei Räumen um 65 Kinder kümmern. Das hat zur Folge, dass nicht jedes Kind die Förderung bekommen kann, die es bräuchte und, dass die Kinder mit den Montessori Materialien auf sich allein gestellt sind. Das fördert zwar die Selbstständigkeit, jedoch können die Lernziele nur erreicht werden, wenn das Material richtig eingesetzt wird. Wie wir beobachteten, konnten vor allem die jüngeren Kinder, im Alter von 2,5 bis etwa 4 Jahren, die Materialien nicht zweckgemäß nutzen und spielten eher damit. Somit wird der Sinn der Montessori Pädagogik vernachlässigt. Für uns machte es den Eindruck, dass die jüngeren Kinder mehr Zeit zum freien Spiel benötigen würden. Da die Erzieherinnen nicht jedes Kind individuell beaufsichtigen können, kam es dazu, dass ein junges Mädchen mit einem Schal an einem Stuhl festgebunden wurde, weil es während des Unterrichts ständig aufgestanden und durch den Raum gelaufen ist. Dies fühlte sich sehr befremdlich für uns an und wir haben daraufhin angeboten, uns während des Unterrichts um das Mädchen zu kümmern. Als weitere Herausforderung kam die Sprachbarriere hinzu. Es war teilweise schwierig die Kinder zu unterstützen, da sie in ihrem jungen Alter nur geringe Englischkenntnisse haben. Manchmal haben uns Kinder auf Swahili angesprochen und wir waren unsicher, was sie meinen. Die Erzieherinnen waren meist zu beschäftigt, um sie direkt darauf ansprechen zu können. Auch beim Erklären von Aufgaben konnten wir anfangs nicht gut verdeutlichen, was wir ausdrücken wollten. Zudem ist es für uns teilweise schwierig gewesen, genau zu wissen, wie wir einzelne Kinder am besten unterstützen können, besonders diejenigen mit besonderen Bedürfnissen.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede:

Es waren Gemeinsamkeiten, aber auch deutliche Unterschiede während des Praktikums zu erkennen. Der Kindergarten ähnelt deutschen Einrichtungen, da viel gesungen, getanzt und gelacht wird, in freien Phasen spielen die Kinder spielen miteinander und üben so soziale Kompetenzen.

Die Unterschiede zeigen sich jedoch deutlich: Die Kinder spielen insgesamt weniger frei, da der Vormittag stärker auf schulischen Unterricht ausgerichtet ist. Anders als in deutschen Kindergärten, die sich vor allem auf die freie Entfaltung der Kinder und das Spiel fokussieren, lernen die Kinder schon sehr früh Englisch, arbeiten an Heften und üben Buchstaben und Zahlen. Die Kinder müssen morgens still und diszipliniert nebeneinandersitzen, ein klarer Kontrast zu Kindergärten in Deutschland. Andererseits ist uns aufgefallen, dass es trotz er vielen Kinder auf kleinem Raum, es nur wenige Streitigkeiten gibt. Selbst wenn es zu Streit kommt, weinen die Kinder kaum und beruhigen sehr schnell von selbst. Grund dafür könnte sein, dass die Kinder eher auf sich allein gestellt sind. Außerdem erhalten alle Kinder die gleichen Mahlzeiten zum Frühstück und Mittagessen.  Besonders auffällig ist, dass Kinder mit Auffälligkeiten selbstverständlich integriert werden, ohne ausgeschlossen oder stigmatisiert zu werden. Anders als in Deutschland tragen die Kinder in Tansania einheitliche Uniformen, die Jungen haben Hosen und die Mädchen Röcke.

Fazit und Ausblick:

Unser Praktikum im Nuru Kindergarten in Moshi war eine bereichernde Erfahrung, die uns nicht nur Einblicke in die Montessori-Pädagogik in einem anderen kulturellen Kontext ermöglicht hat, sondern auch unsere eigene berufliche Haltung als Ergotherapeut*in geprägt hat. Es war eindrucksvoll zu sehen, was für eine Arbeit die Erzieherinnen täglich leisten und wie sie es schaffen, einen Überblick über die vielen Kinder zu haben und Unterricht mit ihnen machen. Auch war es überraschend für uns zu sehen, wie diszipliniert und respektvoll sich die Kinder verhalten haben. Es wäre in Deutschland kaum vorstellbar, dass die Kinder vor Eintritt in die Grundschule schon schreiben, rechnen und Englisch sprechen können, was dort als ein Standard gilt. Gleichzeitig haben wir gesehen, dass Herausforderungen wie große Gruppen, Sprachbarrieren und begrenzte Ressourcen die individuelle Förderung erschweren. Trotz dieser Schwierigkeiten gelingt es den Erzieherinnen, mit Kreativität, Geduld und Engagement eine positive Lernatmosphäre zu schaffen.

Für unsere weitere berufliche Entwicklung nehmen wir viele wertvolle Impulse mit. Besonders die konsequente Förderung der Selbstständigkeit der Kinder möchten wir als Inspirationsquelle in unsere zukünftige ergotherapeutische Arbeit einfließen lassen. Gleichzeitig hat uns das Praktikum die Bedeutung interkultureller Kompetenz und flexiblen Handelns verdeutlicht. Diese Fähigkeiten benötigen wir auch in unserem späteren Berufsfeld. Wir sind dankbar dafür, dass wir durch Erasmus+ die Möglichkeit hatten ein unvergessliches, prägendes Praktikum in Tansania zu absolvieren. Ein vertiefender Austausch zwischen Einrichtungen in Tansania und Deutschland könnte neue Perspektiven eröffnen, zum Beispiel im Umgang mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen oder in der Verbindung von spielerischem Lernen und schulischer Vorbereitung. Langfristig wünschen wir uns, dass Kinder unabhängig von kulturellem oder materiellem Hintergrund die Förderung und Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um ihre individuellen Potenziale bestmöglich entfalten zu können.

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