Anna & Nora berichten: Ihr Praktikum im BCC

Wir, Anna (23, ausgebildete Heilerziehungspflegerin) und Nora (21, Ergotherapie-Auszubildende im dritten Jahr), hatten die besondere Gelegenheit, unser zweiwöchiges Praktikum im BCC – Building a Caring Community in Moshi zu absolvieren (Bild 1). Das BCC ist eine Einrichtung der Evangelisch-Lutherischen Kirche Tansanias, die 2007 gegründet wurde, um die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen nachhaltig zu verbessern. Viele der betreuten Kinder hatten zuvor keinen Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung oder gesellschaftlicher Teilhabe. Sie lebten sehr zurückgezogen, da ihren Familien häufig das Wissen im Umgang mit Beeinträchtigungen fehlten. Heute unterstützt das BCC etwa 215 Kinder und junge Erwachsene und verfolgt das zentrale Ziel, Inklusion zu fördern: Menschen mit Beeinträchtigungen sollen dieselben Chancen und Möglichkeiten erhalten, wie alle anderen und vollständig in die Gemeinschaft integriert werden. Jeden Morgen starteten wir im Hauptgebäude des BCC, das zentral in Moshi liegt (Bild 2). Dort trafen wir uns mit dem Team, bestehend aus einer Ergotherapeutin, einem Psychologen sowie Social- und CareWorkern, um den Tag zu planen. Von dort fuhren wir gemeinsam mit der Ergotherapeutin, Sister Winnie (Bild 3), in die verschiedenen Zentren rund um Moshi, die mitten in der Bevölkerung platziert sind. Insgesamt betreut das BCC zwölf Zentren, in denen Kinder tagsüber von dem dortigen Personal betreut, gefördert und im Alltag unterstützt werden. Jedes Zentrum hat hierfür eigene Ablaufpläne und individuelle Therapiepläne für jedes Kind (Bild 4, 5). Das BCC arbeitet ganz bewusst aufsuchend und dezentral, um Ausgrenzung vorzubeugen und Berührungsängste in der Bevölkerung abzubauen. Kinder, denen es aufgrund ihrer Beeinträchtigungen oder familiärer Umstände nicht möglich ist, ein Zentrum zu besuchen, können außerdem vom Angebot der Hausbesuche profitieren. Während unseres Praktikums lernten wir die vielseitigen Angebote des BCC kennen. Dazu zählen Physiotherapie, Ergotherapie, Gesundheitsförderung, Bildung, Familienunterstützung- und Beratung sowie ein Programm für junge Erwachsene.





Unsere persönlichen Eindrücke
(Nora) Als Ergotherapie-Schülerin im dritten Ausbildungsjahr war ich gespannt, wie meine Kenntnisse und Fähigkeiten in einem anderen kulturellen und organisatorischen Kontext Anwendung finden würden. Schon nach den ersten Tagen merkte ich: Diese Erfahrung würde mich nicht nur fachlich, sondern auch persönlich bereichern. Jeder Tag war anders, denn wir besuchten täglich andere Zentren. Das allein stellte eine Herausforderung dar, besonders, da es im gesamten BCC nur eine einzige Ergotherapeutin gibt und in den einzelnen Zentren jeweils vier bis zehn Kinder betreut werden. Doch gerade diese Vielfalt machte meine Zeit so spannend. Kein Tag glich dem anderen, und ich konnte unglaublich viele verschiedene Kinder, Familien und Lebensumstände kennenlernen. In einem der Zentren, das in einer Schule untergebracht war (Bild 6), durfte ich direkt in einer Klasse mitarbeiten. Dort konnte ich meine Kenntnisse zur Stift- und Sitzhaltung einbringen und Kinder individuell unterstützen. In anderen Zentren lag mein Schwerpunkt darauf, Mahlzeiten anzureichen (Bild 7) und darauf zu achten, dass die Kinder eine gute Ausgangsposition hatten, um das Essen möglichst selbstständig zu sich zu nehmen. Besonders viel Freude bereitete mir das interessengeleitete Spielen mit den Kindern, durch das ich sie nicht nur therapeutisch fördern, sondern auch ihre Begeisterung und Kreativität erleben konnte (Bild 8, 9, 10). Wir gingen in der Nachbarschaft spazieren und ich übte mich darin, schwer betroffene Kinder nach dem Bobath-Konzept zu lagern und zu mobilisieren und Transfers, zum Beispiel vom Rollstuhl, durchzuführen (Bild 11). Hierbei stieß ich auf eine große Herausforderung: Es gab kaum Lagerungsmaterialien. Statt vorgefertigter Hilfsmittel nutzten wir, was vorhanden war wie zum Beispiel zusammengerollte T-Shirts oder Küchenlappen. Diese Improvisation schärfte meinen Blick dafür, wie viel auch mit einfachen Mitteln erreicht werden kann. Im Zentrum für junge Erwachsene durften wir erleben, wie Jugendliche gezielt auf ein eigenständiges Leben vorbereitet werden. Dies geschieht unter anderem durch das Beibringen von Tierhaltung, Handwirtschaft oder Handwerk (Bild 12). Das ist ein bisschen zu vergleichen mit Arbeitstherapie. Später besuchten wir eine ehemalige Absolventin des Programms in ihrem Zuhause. Sie arbeitet inzwischen als Näherin und verkauft ihre Kleidung (Bild 13). Es war schön zu sehen, dass die Förderung des BCC nachhaltig wirkt. Mein persönliches Highlight waren jedoch die Hausbesuche. Sie gaben mir einen tiefen Einblick in das Leben der Familien und führten mich nicht nur durch Moshis Innenstadt, sondern auch in entlegenere Wohnviertel. Die Hausbesuche galten meist Kindern mit besonders schwerer Beeinträchtigung. Meine Aufgabe bestand darin, diese Kinder zu mobilisieren, um Kontrakturen vorzubeugen und ihnen physiologische Bewegung zu ermöglichen (Bild 14, 15). Gleichzeitig waren die Hausbesuche für mich eine der emotional herausforderndsten Erfahrungen. Sie finden einmal im Monat für etwa 30 bis 60 Minuten pro Familie statt. Wenn die Familie zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause ist oder andere Verpflichtungen hat, fällt der Besuch aus. Es war ernüchternd zu sehen, wie viele Kinder bereits starke Kontrakturen entwickelt hatten, die durch häufigere Therapie vermeidbar gewesen wären. Hier lernte ich, meine eigenen Erwartungen zurückzunehmen: Schon ein kleines Gespräch, eine kurze Beratung oder eine halbe Stunde Mobilisation können für diese Kinder und ihre Familien einen großen Unterschied machen. Und es bedeutet überhaupt viel, dass es dieses Angebot gibt. Besonders dankbar bin ich für die Herzlichkeit und Offenheit der Familien. Wir wurden ohne Zögern in ihre Häuser eingeladen und mit einer Selbstverständlichkeit willkommen geheißen.
In diesen zwei Wochen konnte ich viele meiner bisherigen Fähigkeiten festigen und weiterentwickeln. Ich gewann mehr Sicherheit in der Lagerung und Mobilisation schwer betroffener Kinder, lernte noch gezielter auf die individuellen Bedürfnisse jedes Kindes einzugehen und trainierte meine Beobachtungsgabe, besonders in Hinblick auf Bewegungsqualität und Haltung. Besonders gestärkt wurden meine Anpassungsfähigkeit und meine interkulturelle Kompetenz. Jeden Tag neue Orte, andere Teams und wechselnde Arbeitsbedingungen zu erleben, forderte mich heraus und ließ mich wachsen. Ich habe gelernt, schnell auf neue Situationen zu reagieren, Ressourcen kreativ zu nutzen und mit kulturellen Unterschieden respektvoll und offen umzugehen. Gleichzeitig hat mich diese Zeit persönlich tief geprägt. Ich habe gelernt, mich über kleine Fortschritte zu freuen und Geduld zu entwickeln, wenn Prozesse langsamer verlaufen, als ich es gewohnt bin. Die Herzlichkeit und Dankbarkeit der Familien haben mich berührt und mir gezeigt, wie viel Vertrauen in dieser Arbeit steckt. Diese Begegnungen haben mir verdeutlicht, dass Therapie nicht nur Arbeit ist, sondern vor allem Beziehung, Empathie und ein respektvoller Blick auf das Gegenüber.









Bild 14

Unsere persönlichen Eindrücke
(Anna) Während meines Praktikums bei der Organisation BCC – Bildung, Care, Community in Tansania konnte ich vielfältige und bereichernde Erfahrungen sammeln. Als ausgebildete Heilerziehungspflegerin arbeitete ich dort mit Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen und erhielt tiefe Einblicke in die Arbeitsweise der Einrichtungen vor Ort.
Insgesamt betreibt die Organisation elf Zentren im Raum Moshi. Gemeinsam mit Schwester Wayne hatte ich die Möglichkeit, mehrere dieser Einrichtungen zu besuchen und deren Konzepte kennenzulernen. Besonders beeindruckte mich die heilerziehungspflegerische Haltung, die den Ansatz verfolgt, nicht nur individuelle Förderung für die Kinder und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen bereitzustellen, sondern auch einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel anzustoßen.
Die strategische Platzierung der Zentren innerhalb von Wohngebieten spielt hierbei eine zentrale Rolle. So wird der Kontakt zwischen den Kindern und der Gemeinschaft gefördert. Nachbarschaft und Öffentlichkeit erleben unmittelbar die Entwicklung der Kinder, deren Fähigkeiten und die individuellen Fortschritte – stets im eigenen Tempo. Dies trägt maßgeblich dazu bei, Barrieren abzubauen und Akzeptanz in der Gesellschaft zu fördern.
Darüber hinaus profitieren auch die Eltern von der wohnortnahen Lage der Zentren. Sie finden in unmittelbarer Umgebung Unterstützung, Beratung und Austauschmöglichkeiten. Beeindruckend war für mich, mit wie wenig materiellen Mitteln dennoch ein so hohes Maß an Teilhabe und Integration ermöglicht wird.
Während meines Praktikums wurde mir deutlich, wie wichtig es ist, gesellschaftliche Teilhabe nicht nur als pädagogische Aufgabe, sondern auch als Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft zu verstehen. Besonders beeindruckend war zu sehen, dass selbst unter begrenzten materiellen Bedingungen kreative Ansätze entstehen können, die Kindern mit Beeinträchtigungen sowie deren Familien echte Unterstützung und Chancen auf ein gemeinschaftliches Familienleben bieten.
Ein Ansatz ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: Ab einem Alter von 14 Jahren erhalten die Kinder die Möglichkeit, in speziellen Zentren lebenspraktische Fähigkeiten zu erlernen. Dazu gehören unter anderem das Zubereiten von Mahlzeiten, die Mitarbeit im Garten, die Haltung von Hühnern sowie weitere Tätigkeiten des Alltags. Dabei wird individuell darauf geachtet, welche Interessen und Stärken das einzelne Kind mitbringt, um eine gezielte und ressourcenorientierte Förderung zu gewährleisten.
Ziel dieser Maßnahmen ist es, dass die Jugendlichen nach ihrem Abschluss mit 22 Jahren einen aktiven Beitrag im häuslichen Umfeld leisten können. Nach diesem Zeitpunkt endet zwar die direkte Betreuung in den Zentren, jedoch wird die Unterstützung im häuslichen Kontext fortgeführt. So wird sichergestellt, dass bereits erworbene Fähigkeiten erhalten bleiben, mögliche Schwierigkeiten frühzeitig erkannt werden und Eltern sowie Angehörige durch Beratungsgespräche begleitet werden.